…. nach der Arbeit

Hier kommt das nunmehr dritte Porträt einer Person, die etwas über das Leben  … nach der Arbeit sagen kann. Ich freue mich, an dieser Stelle Sigrid Malich vorstellen zu können.

Sigrid Insel +++ 010

 

 

 

 

 

Sigrid Malich

geboren am 26. März 1950 in Magdeburg

reist gern in fremde Städte, zu Freunden, mit Freunden – eher selten, denn ich lebe, wo andere Urlaub machen. Hier fühle ich mich so wohl, dass es mich nur selten wegzieht.

findet, auch „Rentner“ muss man lernen. Die Angst vor der neuen Zeit gehört dazu. Stellt man sich ihr offen, gibt sie neue Impulse. Mich führte sie nach Amrum, wo ich heute lebe.

hat zu einem erfüllten, beglückenden „Leben danach…“ gefunden.

1. Was hast Du in Deinem Berufsleben gemacht, Sigrid?
Bis auf kleine „Exkursionen zur Konkurrenz“ habe ich mein 40jähriges Berufsleben bei der HypoVereinsbank verbracht, die meiste Zeit begeistert und leidenschaftlich im Bereich Training, Weiterbildung, Mitarbeiterentwicklung, Qualitätsmanagement bis hin zum Ideenmanagement und betrieblichen Vorschlagswesen.

2. Wie hast Du den Übergang erlebt?
Mit der großen Fusion 1998 (da war ich 48 Jahre alt) übertrug man mir die Leitung des betrieblichen Vorschlagswesens /Ideenmanagements der Gesamtbank. Als ich ein paar Jahre später keine Trainings mehr machen konnte, weil diese Aufgabe jüngere Kollegen von der übernehmenden Bank erfüllten, wusste ich, dass das Ideenmanagement nun mein Austragshäuserl* sein wird. Eigentlich begann der Übergang schon 2003, also 4 Jahre vor dem Ausscheiden mit der passiven Altersteilzeit. Die Altersteilzeit, das will ich noch anmerken, war mein eigener Entschluss und Wille. Es war ein sehr bewusster Weg in die „Bedeutungslosigkeit“, raus aus Titel und Führungsverantwortung, dafür hin zu mir, die ich mich eigentlich nur als „Frau Bank“ und Mutter kannte.

Kurz vor dem Übergang in die passive Altersteilzeit durchlebte ich noch eine heftige Phase tiefster Existenzängste…schon fast mit dem Wunsch, die Bank möge alles rückrechnen… Bis die innere Stimme NEIN schrie, als ich mich fragte: „Würdest Du des Geldes oder einer vermeintlichen Sicherheit wegen bis 65 arbeiten wollen?“

Meine innere Stimme fand die Lösung: Geh im Sommer kostenneutral dorthin, wo andere Urlaub machen – mit einem 400 – Euro Job.

3. Wie hast Du Dich vorbereitet auf die Zeit nach der Arbeit?
Ich wusste, ich brauche eine Aufgabe, in der ich mich mit meinen Fähigkeiten und Kompetenzen einbringen kann. Ich brauchte ein Netzwerk mit neuen sozialen Kontakten und neue Menschen um mich. Ich wusste, dass ich in Selbstorganisation meines Lebens noch andere Kompetenzen brauchen werde: Ein neues Verständnis, was ich im Leben will, wer ich bin und Vertrauen…. Ich verpflichtete mich für ein Ehrenamt, wurde dazu ausgebildet und begann schon 2004 ehrenamtlich zu arbeiten…neben dem „Austragshäuserl“* schon eine neue Herausforderung.

2006 machte ich mich, einer inneren Stimme folgend, alleine auf einen der vielen Jakobswege, direkt von meiner Haustür in München bis nach Kempten – in Wochenend-Etappen. Der Weg zeigte mir, dass viel in mir steckt, was ich noch gar nicht kannte. Gerührt hat mich meine eigene Konsequenz und das Durchhalten, aber auch das Vertrauen, das ich auf dem Weg entwickeln konnte. Es gab regelrechte „Gotteserfahrungen“, die mir zeigten, dass ich vertrauen kann. Und es ging gut mit mir allein, ich lernte mich achten und mögen. Kurz vor dem Arbeitsendende 2007 stieß ich auf einen Gospelchor, mit dem ich singen konnte: Singen, dachte ich, bringt die Seele zum schwingen.

Last but not least meldete ich mich für mittwochs um 10.00 Uhr zu einem Studium Generale an, das die Volkshochschule München anbietet.

Inzwischen lebe ich auf Amrum, singe im Gesangsverein von Nebel und finde zu mir, wenn ich an der Wasserkante laufe. Manchmal von der Süd- bis zur Nordspitze.

4. Welchen Rat kannst Du anderen geben, denen dieser Schritt bevorsteht?
Schon lange vor dem „Aus“: Sich einlassen, sich noch besser, anders kennen lernen, in sich hinein hören: Was brauche ich für ein zufriedenes Leben? Ziele setzen, Aufgaben übernehmen, Ehrenämter, sich einbringen…Überlegen: Will ich überhaupt eine Struktur des Tages/der Woche… oder lasse ich alles endlich fließen?
Es gibt so viele Möglichkeiten, die man erst findet, wenn man sich auf die Suche begibt. Manchmal finden sie einen…
Offen sein und bereit für die Ansicht, dass jetzt alles anders wird … Und auch werden darf.

5. Was ist Dir wichtig? Haben sich Prioritäten verändert?
Ich habe gelernt, dass ich eine Struktur brauche…die schaffe ich mir durch einen netten 450-Euro Job (mehr darf ich noch nicht) und meinen Hund, der seit 2 Jahren mein Inselleben bereichert. Ich will unter Menschen, will „nütze“ sein, klar ein bisschen auch das Taschengeld aufbessern.
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Ich hätte die Leitung eines kleinen Hotels auf der Insel übernehmen können – und die Versuchung war da. Aber: Ich will nicht mehr mit Berufsfragen einschlafen und damit aufwachen. Ich will frei sein, auch zum NEIN sagen. Ich will vorwiegend selbst über meine Zeit verfügen und mich nur noch in ein Korsett pressen, das ich selbst schnüre. Ich weiß, wie die Strippen laufen und könnte sie ggf. wieder selbst lösen.

6. Wie sieht Deine Woche aus?
Gute Mischung aus Struktur und treiben lassen: An drei Nachmittagen in der Woche arbeite ich als „Elefant im Porzellanladen“ im schönsten Keramikstudio auf der Insel: verkaufen, einräumen, auspreisen, putzen, alles was anfällt. Häufig ist mir der Laden anvertraut, was mich freut. An diesen Arbeitstagen hat der Hund am Vormittag das Pre… Er kriegt viel Zeit. Die übrigen Tage liebe ich das morgendliche Schlunzen… Und verlege die Aktivitäten auf den späten Vormittag und Nachmittag. Wir sind viel draußen, ich helfe Freunden im Laden… Lass mich von Lust und Freude treiben. Abends gibt es Einladungen, Chorkonzerte oder Proben. In der Regel folge ich einmal monatlich meinem Ehrenamt auf die Nachbarinsel.

7. Welche Pläne hast Du?
Keine eigentlich. Ich folge dem Leben und dem, was es mir beschert. Die Umsetzung ist dann ganz einfach. Dass ich gesund bleibe, kann ich nicht planen, aber viel dafür tun und dankbar sein.

Vielen herzlichen Dank, liebe Sigrid!

* Nachgefragt: Das „Austragshäuserl“ ist ….“das Haus, in das die Alten ziehen, wenn die Jungen den Hof übernehmen… Also im übertragenen Sinne das Altenteil….in der Bank war es die Aufgabe, mit der ich keine Karriere mehr machen konnte, weil das Thema politisch wie strategisch keine Relevanz besitzt / besaß.“

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